Diese Worte wurden von der Magd Hagar gesprochen. Sie stand in Abrahams Dient. Als Sarah einfach nicht schwanger wurde – und Gott hatte ihm doch reichliche Nachkommen versprochen – musste Hagar ein Kind von ihm bekommen. Sie war ja Magd. Mitspracherecht hatte sie keines. #me too gab es noch lange nicht. Aber ihre Schwangerschaft ließ sie auch hochmütig werden gegen Sarah, die ja unfruchtbar schien. So wurde Sarah immer härter und ungerechter gegenüber Hagar, bis diese es nicht mehr aushalten konnte und vor ihrer Herrin floh. Einsam, schwanger, mitten in der Wüste und auf der Flucht begegnet ihr plötzlich Gott. Doch Gott bringt sie nicht in ein neues, gutes, sorgenfreies Leben. Nein, er schickt sie zurück in ihre schwierige Situation, zurück zu den Bedrängnissen durch Sarah, zurück in ihren Dienst.
Und in dieser elendsten Stunde erkannte Hagar: Du bist ein Gott,
der mich sieht.
Wie Hagar mag es uns auch manches Mal gehen: Weil uns ein
Glück geschieht, weil wir vielleicht beruflich erfolgreicher sind, weil es uns
wirtschaftlich besser geht, weil wir in unserer Familie glücklicher sind,
erheben wir uns mit Taten oder Worten oder auch nur in Gedanken über
diejenigen, die es nicht so gut getroffen haben.
Doch wenn das Schicksal zuschlägt und wir ein Gutes nach dem
anderen verlieren; wenn es finanziell eng wird, wenn es in der Familie Streit
gibt, wenn Arbeitslosigkeit vor der Tür steht oder wenn uns Krankheit
niederdrückt, dann sind wir in der Wüste unseres Lebens. Manches Mal haben wir
das Gefühl, dass Gott nicht hinschaut, dass er an unserem Schicksal kein
Interesse hat. Mancher wendet sich dann enttäuscht ab von Gott. (Die
Kirchenaustritte belegen das.) Aber wenn wir uns von Gott abwenden, wie können
wir dann sehen, dass er uns anschaut? Wie kann er an uns wirken, wenn wir ihm
die Tür vor der Nase zuschlagen? Wie kann er uns berühren, wenn wir uns von ihm
entfernen?
Und so wird das Gefühl der Gottverlassenheit immer größer. Aber Gott ist da! Er verlässt uns nicht! Nichts und niemand kann uns von der Liebe Gottes trennen. Er verspricht uns nicht ein Leben ohne Probleme, er nimmt uns nicht heraus aus unseren Sorgen, aber er geht unseren schwierigen Weg mit uns.
Und wenn wir es wagen, uns Gott wieder zuzuwenden, wenn wir
uns wieder zu ihm hin wenden, dürfen wir wie Hagar feststellen: Du bist ein
Gott, der mich sieht.
Dessen dürfen wir gewiss sein, auch wenn wir den Eindruck
haben, Gott habe uns verlassen, wir wären ihm egal. Nein, Gott sieht uns! Gott
sieht dich! Er sieht dich in deiner Einsamkeit, in deinem Schmerz, in deiner
Trauer, in deiner Krankheit.
Weil du ihm nicht egal bist, darum feiern wir Weihnachten.
Darum kam Jesus auf diese Welt als kleiner Mensch, als verletzbarer Mensch.
Weil er dein Leiden mittragen will.
So wollen wir unser Herz weit öffnen und ihn darin wirken lassen mit Heilung und Segen und seinem Frieden.
So wünsche ich ein gesegnetes neues Jahr 2023.